Sachverhalt:
- Ziel der Vorlage
Die Stadt Staßfurt hat gegen das Bundesamt für zentrale Dienst und
offene Vermögensfragen einen Anspruch auf Zuordnung und Übertragung von 0,587%
der Geschäftsanteile an der Fernwasserversorgung Elbaue-Ostharz GmbH (FEO).
Eine Übernahme dieser Anteile würde zu wirtschaftlichen Nachteilen der Stadt
führen, da die Trinkwasserversorgung Magdeburg GmbH (TWM) Ansprüche auf
Aufwendungsersatz für die Verwaltung der Geschäftsanteile seit 1994
beanspruchen kann. Weiter würden die Grundlagen für einen einheitlichen
Wasserpreis, den die TWM im gesamten Versorgungsgebiet, das auch das Gebiet der
Stadt umfasst, zum Nachteil der Stadt in Frage gestellt werden. Diese Nachteile
übersteigen den möglichen Wert der Geschäftsanteile. Daher soll eine direkte
Übernahme der Geschäftsanteile durch die TWM erfolgen, womit Ansprüche auf
Aufwendungsersatz und ein Ausgleich der Wasserpreise rückwirkend vermieden
werden.
Die heutige Rechtslage ist wie folgt entstanden:
Das Land Sachsen-Anhalt hat mit Zustimmung der Treuhandanstalt durch
Vertrag vom 28. Juni 1994 Geschäftsanteile an der FEO (über die Fernwasser Halle/Magdeburg
– Beteiligungsgesellschaft bR, GbR) auf die TWM übertragen. Hintergrund der
Übernahme der Gesellschaftsanteile war die vom Land Sachsen-Anhalt und der
Treuhandanstalt angestrebte Kommunalisierung der FEO.
Die TWM hat seit 1994 – teilweise mittelbar über die GbR – die
Beteiligungsrechte und
-pflichten an der FEO für die anspruchsberechtigten Gemeinden
wahrgenommen. U. a. hat die TWM auch die unternehmerischen Aufgaben der FEO
wahrgenommen, an Gesellschafterversammlungen teilgenommen sowie die mit der
Verwaltung angefallenen Aufwendungen getragen (vgl. § 16 GmbHG).
Mittlerweile hat das BVerwG (Urteil vom 20.01.2005, Az.: 3 C 31.03.)
entschieden, dass der Betrieb der Fernwasserversorgung zu den Angelegenheiten
der örtlichen Gemeinschaft im Sinne von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz zählt
und die Geschäftsanteile den anspruchsberechtigten Gemeinden zustehen. Als
Berechnungsmaßstab für den einer Gemeinde zustehenden Anspruch auf Übertragung
von Geschäftsanteilen kommt nach Auffassung des BVerwG der Anteil an dem Bezug
von Fernwasser in Betracht, der von der FEO an die am
Fernwasserversorgungssystem angeschlossenen Gemeinden abgegeben wurde. Auf
Grund der Rechtsprechung des BVerwG hat nunmehr das Bundesamt für zentrale
Dienst und offene Vermögensfragen die auf die FEO gerichteten kommunalen
Ansprüche insgesamt – entsprechend den Vorgaben des Gerichts – neu berechnet
und beabsichtigt, die Geschäftsanteile entsprechend zu übertragen.
Nach der heutigen Rechtslage handelte die TWM bei ihrer Tätigkeit als
vermeintlicher Gesellschafter. Es handelt sich rechtlich gesehen um eine sog.
Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff BGB). Der TWM stehen Ansprüche auf
Aufwendungsersatz zu.
Im Vertrauen auf die Einbringung bzw. Belassung der FEO-Gesellschaftsanteile
in der Gesellschaft hat die TWM insbesondere Vermögensdispositionen getätigt
bzw. einen sog. Solidarpreis gegenüber ihren Kunden kalkuliert. Die TWM rechnet
gegenüber ihren Kunden - und damit
mittelbar gegenüber der Stadt - trotz
der hohen Wasserbezugskosten der FEO einen sog. Solidarpreis ab. Dieser
Wasserpreis wurde durch den Fernwasserbezug von der FEO maßgeblich beeinflusst.
Bei der kostenverursachungsrechten Wasserpreisgestaltung wäre der Wasserpreis
der TWM in den anspruchsberechtigten Gemeinden erheblich höher gewesen, da der
Fernwasserbezug von der FEO kostenaufwendiger als der Rückgriff auf eigene
Ressourcen der TWM (Colbitzer Heide und Westfläming) ist. Die
Fernwasserbezugskosten lagen in der Vergangenheit über den entsprechenden Erlösen,
die die TWM aus Wasserverkäufen erzielt. Der Fernwasserbezug verteuert somit
die Wasserpreise der TWM insgesamt. Wegen der „Einbringung“ der
FEO-Geschäftsanteile wurde bei der Preisgestaltung der TWM nicht weiter
differenziert und ein einheitlicher Solidarpreis erhoben.
Die Ausgleichsansprüche der TWM bestehen aber nur, soweit die
anspruchsberechtigten Gemeinden die Übertragung der Geschäftsanteile in 1994
nicht genehmigen. Eine „Heilung“ der schwebend unwirksamen Übertragung der
Geschäftsanteile durch eine Genehmigung der „anspruchsberechtigten Gemeinden“
ist aus rechtlicher Sicht grundsätzlich möglich. Gemäß § 185 Abs. 2 BGB wird
eine Verfügung, die ein Nichtberechtigter über einen Gegenstand trifft,
wirksam, wenn der Berechtigte sie genehmigt. Durch die Genehmigung wird die
schwebend unwirksame Verfügung nach § 184 Abs.1 BGB rückwirkend („ex tunc“)
wirksam, so dass die TWM alle o. g. Vermögensdispositionen „für eigene
Rechnung“ getätigt hätte und auch der einheitliche Wasserpreis gerechtfertigt
wäre.
- Lösung
Eine Genehmigung kann durch die anspruchsberechtigten Gemeinden
einseitig und ohne Mitwirkung der TWM erteilt werden. Durch die Genehmigung
würden Aufwendungsersatzansprüche der TWM vollständig entfallen.
Mit Erteilung der Genehmigung könnte beim Bundesamt für zentrale Dienste
und offene Vermögensfragen ein Antrag auf direkte Übertragung der
Geschäftsanteile auf die TWM gestellt werden.
Von einer Verjährung ist nicht auszugehen, da die
Aufwendungsersatzansprüche erst ab der Zuordnung durch das Bundesamt für
zentrale Dienste und offene Vermögensfragen beziffert und verbindliche geltend
gemacht werden können. Die Verjährung beginnt gem. § 199 BGB erst mit dem
Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von
den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis
erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.
Für diese Vorgehensweise sprechen neben Gründen der Rechtssicherheit
auch folgende Vorteile:
-
Der
ursprünglich gewollte Rechtszustand würde hergestellt werden.
-
Erfüllung
der Einbringungsverpflichtung der Gesellschafter.
-
Keine
Zersplitterung der Anteile an eine Vielzahl von Gesellschaftern, was die
Handlungsfähigkeit der FEO beeinträchtigen könnte.
-
Ermöglichung
der gebündelten Wahrnehmung kommunaler Interessen.
-
Eine
Belassung der FEO-Geschäftsanteile in der TWM entspricht letztlich dem
Kommunalisierungsgedanken. Die TWM ist ein kommunales Unternehmen, mit
kommunalen Anteilseignern.
-
Die TWM
verfügt über Sachkunde im Bereich der Wasserwirtschaft.
-
Der
solidarisch erhobene einheitliche Wasserpreis der TWM hat weiter Bestand. Die
Zweckverbände, die mit Wasser der FEO beliefert werden, sind nicht
Ausgleichsverpflichtungen ausgesetzt. Damit
stellen sich auch keine kommunalabgabenrechtlichen Fragen, ob und wie
die Zweckverbände einen Ausgleich gegenüber den Wasserkunden geltend machen
können.
-
Es
werden keine Aufwandsersatzansprüche der TWM gegen die anspruchsberechtigten
Gemeinden geltend gemacht.
-
Die
anspruchsberechtigten Gemeinden vermeiden haushaltsrechtliche Probleme z. B.
wegen Sonderbedarfszuweisungen.
-
Da der
Solidarpreis unangetastet bleibt und keine Ausgleichsansprüche in diesem
Zusammenhang bestehen, stellt sich in steuerrechtlicher Hinsicht nicht die
Frage, ob ein Verzicht auf die Geltendmachung solcher Ansprüche zu einer
verdeckten Gewinnausschüttung führen würde. Auch handelsrechtlichen
Fragestellungen können vermieden werden.
- Alternativen
Nach der heutigen Rechtslage handelte die TWM gegenwärtig bei ihrer
Tätigkeit als vermeintlicher Gesellschafter. Es handelt sich rechtlich gesehen
um eine sog. Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff BGB). Der TWM stehen
Ansprüche auf Aufwendungsersatz zu. Wenn die anspruchsberechtigte Stadt
Staßfurt die Übertragung der Geschäftsanteile in 1994 nicht genehmigt, bestehen
weiter die Ausgleichsansprüche der TWM. Die TWM hat angekündigt, entsprechende
Aufwandsersatzansprüche auch geltend zu machen.
- finanzielle Auswirkungen
keine
Anlagenverzeichnis:
-
Genehmigung der
Übertragungsakte/Ermächtigung zur Übernahme von Geschäftsanteilen an der
Fernwasserversorgung Elbaue-Ostharz GmbH
Beschlussvorschlag:
Der Stadtrat der Stadt Staßfurt beschließt, die unwirksamen
Vermögensverfügungen an Geschäftsanteilen der Fernwasserversorgung
Elbaue-Ostharz GmbH rückwirkend zu genehmigen und als Umsetzung des
Rekommunalisierungsgedankens die Trinkwasserversorgung Magdeburg GmbH zu
ermächtigen, die nach der Entscheidung des BVerwG der Stadt Staßfurt zustehenden
Geschäftsanteile an der Fernwasserversorgung Elbaue-Ostharz GmbH unmittelbar
vom Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen zu übernehmen
bzw. übertragen zu bekommen.
Der Oberbürgermeister wird beauftragt und ermächtigt, eine entsprechende
Erklärung, die als Anlage diesem Beschluss beigefügt ist, für die Stadt
Staßfurt abzugeben und alle erforderlichen Schritte einzuleiten, damit die
Trinkwasserversorgung Magdeburg GmbH die Geschäftsanteile unmittelbar von dem
Bundesamt für zentrale Dienst und offene Vermögensfragen übernehmen kann.