Betreff
Zuordnung der Geschäftsanteile der Fernwasserversorgung Elbaue-Ostharz GmbH
Vorlage
0875/2014
Art
Beschlussvorlage

Sachverhalt:

 

  • Ziel der Vorlage

 

Die Stadt Staßfurt hat gegen das Bundesamt für zentrale Dienst und offene Vermögensfragen einen Anspruch auf Zuordnung und Übertragung von 0,587% der Geschäftsanteile an der Fernwasserversorgung Elbaue-Ostharz GmbH (FEO). Eine Übernahme dieser Anteile würde zu wirtschaftlichen Nachteilen der Stadt führen, da die Trinkwasserversorgung Magdeburg GmbH (TWM) Ansprüche auf Aufwendungsersatz für die Verwaltung der Geschäftsanteile seit 1994 beanspruchen kann. Weiter würden die Grundlagen für einen einheitlichen Wasserpreis, den die TWM im gesamten Versorgungsgebiet, das auch das Gebiet der Stadt umfasst, zum Nachteil der Stadt in Frage gestellt werden. Diese Nachteile übersteigen den möglichen Wert der Geschäftsanteile. Daher soll eine direkte Übernahme der Geschäftsanteile durch die TWM erfolgen, womit Ansprüche auf Aufwendungsersatz und ein Ausgleich der Wasserpreise rückwirkend vermieden werden.

 

Die heutige Rechtslage ist wie folgt entstanden:

 

Das Land Sachsen-Anhalt hat mit Zustimmung der Treuhandanstalt durch Vertrag vom 28. Juni 1994 Geschäftsanteile an der FEO (über die Fernwasser Halle/Magdeburg – Beteiligungsgesellschaft bR, GbR) auf die TWM übertragen. Hintergrund der Übernahme der Gesellschaftsanteile war die vom Land Sachsen-Anhalt und der Treuhandanstalt angestrebte Kommunalisierung der FEO.

 

Die TWM hat seit 1994 – teilweise mittelbar über die GbR – die Beteiligungsrechte und          -pflichten an der FEO für die anspruchsberechtigten Gemeinden wahrgenommen. U. a. hat die TWM auch die unternehmerischen Aufgaben der FEO wahrgenommen, an Gesellschafterversammlungen teilgenommen sowie die mit der Verwaltung angefallenen Aufwendungen getragen (vgl. § 16 GmbHG).

 

Mittlerweile hat das BVerwG (Urteil vom 20.01.2005, Az.: 3 C 31.03.) entschieden, dass der Betrieb der Fernwasserversorgung zu den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Sinne von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz zählt und die Geschäftsanteile den anspruchsberechtigten Gemeinden zustehen. Als Berechnungsmaßstab für den einer Gemeinde zustehenden Anspruch auf Übertragung von Geschäftsanteilen kommt nach Auffassung des BVerwG der Anteil an dem Bezug von Fernwasser in Betracht, der von der FEO an die am Fernwasserversorgungssystem angeschlossenen Gemeinden abgegeben wurde. Auf Grund der Rechtsprechung des BVerwG hat nunmehr das Bundesamt für zentrale Dienst und offene Vermögensfragen die auf die FEO gerichteten kommunalen Ansprüche insgesamt – entsprechend den Vorgaben des Gerichts – neu berechnet und beabsichtigt, die Geschäftsanteile entsprechend zu übertragen.

 

Nach der heutigen Rechtslage handelte die TWM bei ihrer Tätigkeit als vermeintlicher Gesellschafter. Es handelt sich rechtlich gesehen um eine sog. Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff BGB). Der TWM stehen Ansprüche auf Aufwendungsersatz zu.

 

Im Vertrauen auf die Einbringung bzw. Belassung der FEO-Gesellschaftsanteile in der Gesellschaft hat die TWM insbesondere Vermögensdispositionen getätigt bzw. einen sog. Solidarpreis gegenüber ihren Kunden kalkuliert. Die TWM rechnet gegenüber ihren Kunden  - und damit mittelbar gegenüber der Stadt -  trotz der hohen Wasserbezugskosten der FEO einen sog. Solidarpreis ab. Dieser Wasserpreis wurde durch den Fernwasserbezug von der FEO maßgeblich beeinflusst. Bei der kostenverursachungsrechten Wasserpreisgestaltung wäre der Wasserpreis der TWM in den anspruchsberechtigten Gemeinden erheblich höher gewesen, da der Fernwasserbezug von der FEO kostenaufwendiger als der Rückgriff auf eigene Ressourcen der TWM (Colbitzer Heide und Westfläming) ist. Die Fernwasserbezugskosten lagen in der Vergangenheit über den entsprechenden Erlösen, die die TWM aus Wasserverkäufen erzielt. Der Fernwasserbezug verteuert somit die Wasserpreise der TWM insgesamt. Wegen der „Einbringung“ der FEO-Geschäftsanteile wurde bei der Preisgestaltung der TWM nicht weiter differenziert und ein einheitlicher Solidarpreis erhoben.

 

Die Ausgleichsansprüche der TWM bestehen aber nur, soweit die anspruchsberechtigten Gemeinden die Übertragung der Geschäftsanteile in 1994 nicht genehmigen. Eine „Heilung“ der schwebend unwirksamen Übertragung der Geschäftsanteile durch eine Genehmigung der „anspruchsberechtigten Gemeinden“ ist aus rechtlicher Sicht grundsätzlich möglich. Gemäß § 185 Abs. 2 BGB wird eine Verfügung, die ein Nichtberechtigter über einen Gegenstand trifft, wirksam, wenn der Berechtigte sie genehmigt. Durch die Genehmigung wird die schwebend unwirksame Verfügung nach § 184 Abs.1 BGB rückwirkend („ex tunc“) wirksam, so dass die TWM alle o. g. Vermögensdispositionen „für eigene Rechnung“ getätigt hätte und auch der einheitliche Wasserpreis gerechtfertigt wäre.

 

 

  • Lösung

 

Eine Genehmigung kann durch die anspruchsberechtigten Gemeinden einseitig und ohne Mitwirkung der TWM erteilt werden. Durch die Genehmigung würden Aufwendungsersatzansprüche der TWM vollständig entfallen.

 

Mit Erteilung der Genehmigung könnte beim Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen ein Antrag auf direkte Übertragung der Geschäftsanteile auf die TWM gestellt werden.

 

Von einer Verjährung ist nicht auszugehen, da die Aufwendungsersatzansprüche erst ab der Zuordnung durch das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen beziffert und verbindliche geltend gemacht werden können. Die Verjährung beginnt gem. § 199 BGB erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.

 

Für diese Vorgehensweise sprechen neben Gründen der Rechtssicherheit auch folgende Vorteile:

 

-        Der ursprünglich gewollte Rechtszustand würde hergestellt werden.

-        Erfüllung der Einbringungsverpflichtung der Gesellschafter.

-        Keine Zersplitterung der Anteile an eine Vielzahl von Gesellschaftern, was die Handlungsfähigkeit der FEO beeinträchtigen könnte.

-        Ermöglichung der gebündelten Wahrnehmung kommunaler Interessen.

-        Eine Belassung der FEO-Geschäftsanteile in der TWM entspricht letztlich dem Kommunalisierungsgedanken. Die TWM ist ein kommunales Unternehmen, mit kommunalen Anteilseignern.

-        Die TWM verfügt über Sachkunde im Bereich der Wasserwirtschaft.

-        Der solidarisch erhobene einheitliche Wasserpreis der TWM hat weiter Bestand. Die Zweckverbände, die mit Wasser der FEO beliefert werden, sind nicht Ausgleichsverpflichtungen ausgesetzt. Damit  stellen sich auch keine kommunalabgabenrechtlichen Fragen, ob und wie die Zweckverbände einen Ausgleich gegenüber den Wasserkunden geltend machen können.

-        Es werden keine Aufwandsersatzansprüche der TWM gegen die anspruchsberechtigten Gemeinden geltend gemacht.

-        Die anspruchsberechtigten Gemeinden vermeiden haushaltsrechtliche Probleme z. B. wegen Sonderbedarfszuweisungen.

-        Da der Solidarpreis unangetastet bleibt und keine Ausgleichsansprüche in diesem Zusammenhang bestehen, stellt sich in steuerrechtlicher Hinsicht nicht die Frage, ob ein Verzicht auf die Geltendmachung solcher Ansprüche zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führen würde. Auch handelsrechtlichen Fragestellungen können vermieden werden.

 

 

  • Alternativen

 

Nach der heutigen Rechtslage handelte die TWM gegenwärtig bei ihrer Tätigkeit als vermeintlicher Gesellschafter. Es handelt sich rechtlich gesehen um eine sog. Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff BGB). Der TWM stehen Ansprüche auf Aufwendungsersatz zu. Wenn die anspruchsberechtigte Stadt Staßfurt die Übertragung der Geschäftsanteile in 1994 nicht genehmigt, bestehen weiter die Ausgleichsansprüche der TWM. Die TWM hat angekündigt, entsprechende Aufwandsersatzansprüche auch geltend zu machen.

 

 

  • finanzielle Auswirkungen

 

keine

 

 


Anlagenverzeichnis:

-         Genehmigung der Übertragungsakte/Ermächtigung zur Übernahme von Geschäftsanteilen an der Fernwasserversorgung Elbaue-Ostharz GmbH

 

 

 


Beschlussvorschlag:

Der Stadtrat der Stadt Staßfurt beschließt, die unwirksamen Vermögensverfügungen an Geschäftsanteilen der Fernwasserversorgung Elbaue-Ostharz GmbH rückwirkend zu genehmigen und als Umsetzung des Rekommunalisierungsgedankens die Trinkwasserversorgung Magdeburg GmbH zu ermächtigen, die nach der Entscheidung des BVerwG der Stadt Staßfurt zustehenden Geschäftsanteile an der Fernwasserversorgung Elbaue-Ostharz GmbH unmittelbar vom Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen zu übernehmen bzw. übertragen zu bekommen.

 

Der Oberbürgermeister wird beauftragt und ermächtigt, eine entsprechende Erklärung, die als Anlage diesem Beschluss beigefügt ist, für die Stadt Staßfurt abzugeben und alle erforderlichen Schritte einzuleiten, damit die Trinkwasserversorgung Magdeburg GmbH die Geschäftsanteile unmittelbar von dem Bundesamt für zentrale Dienst und offene Vermögensfragen übernehmen kann.